Wie man ein gemeinsames Frühstück nicht gestalten sollte oder wie man sich mit Nichtigkeiten das Zusammenleben unnötig erschwert
Am vergangenen Samstag hatte sich meine Nichte mit einer Freundin bei mir zum gemeinsamen Frühstück angemeldet. Bisher hatte ich die Erfahrung gemacht, dass es bei einem gemeinsamen Frühstück locker zugeht und man Spaß miteinander hat. Aber dies muss nicht immer so sein, wie mir an diesem Tag klar wurde.

Ich hatte alles schon vorbereitet, aber da ich als passionierte Teetrinkerin nicht das Händchen zum Kaffeemachen habe, bat ich die beiden, sich um die Zubereitung zu kümmern. Das hätte ich lieber nicht tun sollen, denn genau dies gestaltete sich zu einem unerwarteten Problem, da es nur für den Handaufguss und nicht für die Kaffemaschine passende Filtertüten gab. Man sollte meinen, dass es sich bei dem Umstand einer zu kleinen Filtertüte um kein weltbewegendes Problem handelt (zumal eigentlich aufgrund des Goldfilters gar keine Filtertüte benötigt wird) und die Sache mit einer einmaligen Bemerkung abgetan sei, aber dies war leider nicht der Fall, sondern Uta wiederholte beharrlich etliche Male, wie es denn nur möglich sei, dass man über keine passenden Filtertüten verfügen würde.

Und bei dieser Kritik blieb es nicht, sondern es ging munter mit diversen Beanstandungen weiter, die alle im Grunde auf Nichtigkeiten beruhten. Da war der abgebrochene Stiel des Messlöffels, der angeblich ein Abmessen des Kaffees unmöglich machen würde, da wurde beanstandet, dass ich den Inhalt einer Flasche mit sauer gewordener Milch vor dem Entsorgen leeren wollte, was doch überhaupt nicht notwendig sei, da wurde bemängelt, dass ich die ersatzweise verwendete Frischmilch nicht einfach so auf den Tisch stellte, sondern in ein Milchkännchen abfüllte und ebenso wurde meine Art des Brötchenschneidens kommentiert. Als ich versuchte, das Thema endlich auf etwas anderes zu lenken und meine Nichte auf eine neue in der Berliner East Side Gallery erworbene Tasse hinwies, beanstandete Uta sofort, dass ausgerechnet sie die Tasse erhalten hat, da die doch so häßlich sei.

Um den Eindruck dieses Frühstücktreffs zu vervollstandigen, sei noch erwähnt, dass nicht nur küchentechnische Dinge auf Kritik stießen. Das erste, was beim Betreten meines Wohnzimmers mit Bemerkungen bedacht wurde, war die Tatsache, dass sich meine Personenwaage relativ gut sichtbar im Raum befindet. Eine ungewohnte Reaktion, denn die meisten Menschen, die meine Wohnung zum ersten Mal sehen, sprechen mich auf die Gegenstände an, die ich aus fremden Ländern mitgebracht habe und auf die Bilder und Fotos oder meine kleine Töpfergalerie, so wie ich selbst bei anderen übrigens auch sofort die Dinge ansehe, mit denen die Wohnung dekoriert ist. Aber nun gut, für manche hat dies eben keine Bedeutung und eine Personenwaage wird als ungleich interessanter empfunden.

Es tröstete mich ein wenig, dass anscheinend nicht nur ich in meinem Haushalt alles sträflich falsch mache, denn Uta nörgelte auch über eine Bekannte, die ihrer Meinung nach zu kleine Mülltüten benutzten würde, was Schimmelbildung zur Folge hätte. Ich gab zu Bedenken, dass mittlerweile viele Menschen etwas gegen den beängstigend ansteigenden Plastikverbrauch tun möchten und daher dazu übergehen, die beim Einkauf von Gemüse und Brötchen erhaltenen Plastiktütentüten als Mülltüten weiter zu verwendeten. Es erübrigt sich wahrscheinlich, dass dies für Uta trotzdem völlig indiskutabel war.

Glücklicherweise stellte der anschließende Sonntag einen Gegenpol zu diesem Frühstückstreff dar. Ich traf mich mit Freunden, die ich lange nicht gesehen habe und wir verbrachten gemeinsam einen Tag, an dem wir uns über alles Mögliche unterhielten – nur nicht über Kaffeefilter, Messlöffel, Milchkännchen e.t.c. Als ich diesen Tag Revue passieren ließ, musste ich schmunzeln, denn mir fiel ein, dass meine Freundin für mich einen Tee zubereitet und dabei das Teesieb in der Kanne gelassen hatte. Obwohl dies für Teeliebhaber etwas darstellt, was gegen eine gute Teezubereitung spricht, beließ ich es dabei, dies einfach nur kurz zu registrieren. Und das ist wohl der entscheidende Unterschied zwischen mir und Uta – man sollte anderen Menschen ihre Art lassen, Dinge zu tun oder nicht zu tun. Ansonsten ist das Zusammenleben geprägt von einer nervtötenden Beschäftigung mit Nichtigkeiten, die keine Zeit lässt für wesentliche Dinge. Aber vielleicht macht genau dies die Wesensmerkmale der Menschen aus – die Einstufung dessen, was nichtig ist und was nicht.

Uta erinnert mich ein wenig an meine Mutter, die sich auch über Belanglosigkeiten endlos lange ereifern konnte während ihr wirklich wichtige Dinge oftmals ziemlich egal waren. Auch Uta kennt meine Mutter und um so erstaunter war ich , als meine Nichte mir sagte, dass ausgerechnet Uta der Meinung war, ich würde meiner Mutter im Verhalten ähneln. Wer mag nun Recht haben? Auch mir passiert es manchmal, dass mich Verhaltensweisen anderer stören und mir fiel in dem Zusammenhang ein gemeinsames Essen auf dem Campingplatz meiner Mutter ein, an dem meine Nichte und Uta sowie deren Familie teilnahm. Wir hatten bei einem Imbiss diverse verschiedene Gerichte gekauft, die alle in großen Styroporverpackungen und jeder Menge Aluminiumfolie eingepackt waren, die sich dann auf dem Esstisch stapelte. Abgesehen davon , dass ich mit einem gemütlichen Essen etwas anderes verbinde (was ich jedoch für mich behielt), rutschte mir die Bemerkung heraus, dass dies eine unnötige Verschwendung wäre und ich erinnere Utas sofortige genervte Antwort, dies sei nichts, was wichtig wäre und über das man sich unterhalten sollte. Im Gegensatz zu ihr beließ ich es jedoch bei der einen Bemerkung.

Fassen wir einmal zusammen, wobei es bei all dem geht:
Für manche Menschen stellt eine zu kleine Filtertüte einen unhaltbaren Missstand dar, während das Interesse für Ökologie als etwas völlig Überflüssiges empfunden wird. Andere wiederum haben kein Problem mit zu kleinen Filtertüten, wogegen ökologisches Handeln im Haushalt als etwas Wichtiges empfunden wird. Und während bei manchen Menschen das ästhetische Empfinden durch eine im Raum befindliche Personenwaage verletzt wird, ist dies bei anderen Menschen der Fall, wenn sich Styroporberge auf dem Esstisch befinden.

Schon dies allein kompliziert das Zusammenleben von Menschen. Aber das eigentliche Problem entsteht erst, wenn Menschen ihre eigenen Wertmaßstäbe für allgemeingültig erklären und die Wertmaßstäbe anderer als falsch oder überflüssig abwerten. Getoppt wird dies dann noch durch die Anmaßung, andere belehren zu wollen, während Kritik an der eigenen Person rigoros abgebloggt wird. Was ein Zusammenleben dann letztendlich völlig unerträglich macht ist der Umstand, dass Menschen ihre eigene Intoleranz in andere hineinprojizieren und ihr eigenes Handeln grundsätzlich nicht reflektieren.

Man könnte noch viel zu dem Thema schreiben, da es eben nicht nur um Filtertüten und Personenwaagen geht, sondern um die wichtige Frage der Art des Umgangs mit anderen Menschen und um den Respekt vor anderen Wertvorstellungen. Diejenigen, die schon einmal in einer Wohngemeinschaften gelebt haben können bestätigen, dass das Zusammenleben letztendlich genau daran scheiterte – an dem Unvermögen, unterschiedliche Vorstellungen und Lebensweisen auf Dauer zu vereinen. Obwohl sich fast alle gern an die WG-Zeiten erinnern, war es den meisten dann irgendwann doch zu anstrengend.

Resümee des Wochenendes:
Man kann auf sehr unterschiedliche Art Zeit zusammen verbringen und man kann seine Aufmerksamkeit auf äußerst unterschiedliche Dinge lenken!




Da sagen Sie was!
Es gibt Menschen, die sind nicht zufrieden, wenn sie nicht unzufrieden sein können. Ich finde sie sehr anstrengend; erstaunlicherweise gibt es sie in allen Altersklassen. Man sollte ja denken, das wird besser im Alter.
Allerdings ertappe ich mich gelegentlich selbst bei diesem unfreundlichen Blick -- dann nämlich, wenn ich ohnehin schon genervt bin oder mich gerade selbst nicht leiden kann.

Anstrengend ist das richtige Wort, denn ich hatte nach diesem Frühstück Kopfschmerzen wie nach zuviel Fernsehen oder PC-Arbeit. Es ist einfach schade um die Zeit.
Natürlich habe ich auch manchmal diesen genervten Blick. Wenn zum Beispiel eine Kollegin ihren Abfall einfach aus dem Autofenster wirft. Aber es bleibt nun mal nichst anderes übrig, als derartige Verhaltensweisen hinzunehmen.
Was mich aber - obwohl ich es eigentlich gar nicht will - dennoch ärgert, ist die Tatsache, dass derartige Nörgler es tatsächlich schaffen, den Spieß umzudrehen und sich sicher sind, dass mit dem Anderen etwas nicht stimmt. Fast schon zu beneiden so ein Verdrängungsmechanismus...

Es geht auch ganz, ganz anders
Dass es auch ganz anders geht, habe ich in den vergangenen drei Tagen erfahren. Wir hatten Besuch von einer Frau, die wir während unseres Burmaurlaubs kennengelernt hatten und die gemeinsam mit ihrem Freund einige Tage bei uns wohnte, um Hamburg kennenzulernen. Im nachherein fiel mir auf, dass ich schon lange Zeit nicht mehr so viel diskutiert habe. Es ging weder um Kaffeefilter oder Messlöffel noch ging es darum, wie man mehr Geld verdienen könnte oder den guten Eindruck, den man unbedingt machen möchte.

Man kann über so vieles reden – über andere Länder, über Ernährung, über die Situation an den Schulen, über Situation in den Pflegeheimen, über die Entwicklung der Medien etc. Ein bisschen erinnerte es mich an die Diskussionen meiner Studentinnenzeit, die wir in der Mensa, in WG-Küchen oder Kneipen führten. Vielleicht lag es daran, dass die beiden rund dreißig Jahre jünger waren, vielleicht lag es aber auch daran, dass es nun mal einfach Menschen gibt, die vielseitige Interessen haben.

Auf jeden Fall wird mir schmerzhaft bewusst, wie selbstverständlich früher diese Art der Auseinandersetzung war und wie normal es war, sich mit dem, was in der Welt geschieht, zu beschäftigen.