Sich verzaubern lassen
Obwohl Roncalli ein Zirkus ist, spricht man bei dessen Besuch nicht von einem Zirkusbesuch, sondern man sagt, dass man „zu Roncalli“ geht. Und ganz bestimmt gibt es Unterschiede. Allerdings sind die höchstwahrscheinlich kleiner als man denkt. Wie dem auch sei, ich war am vergangenen Wochenende seit vielen Jahren mal wieder bei Roncalli. Und habe diesen Abend sehr genossen.

Obwohl ich Clowns oftmals nicht allzu lustig finde, kam irgendwann ein Moment, wo ich Tränen lachen musste. Und bei den Trapeznummern stocke mir der Atem. Man hat diese Darbietungen schon tausendmal im Fernsehen angeschaut, aber es ist eben etwas völlig anderes, wenn man diese halsbrecherischen Nummern aus nächster Nähe ansieht. Ich kam dabei mehr als einmal ins Staunen, was man seinem Körper alles abverlangen kann. Im Vergleich kommt man selbst sich dabei unglaublich steif und schlapp vor. Manchmal traut man seinen Augen nicht, wie zum Beispiel dann, wenn eine zierliche Frau in der Überkopfposition eine andere Frau nur mit den Halsmuskeln in die Höhe zieht.

Dann gab es noch vier sehr junge Artisten, die sich gegenseitig so heftig in der Luft herumwirbelten, dass man den Einzelnen gar nicht mehr richtig erkennen konnte. Was mir aber dabei besonders auffiel, war der Gesichtsausdruck der Artisten, der während der Darstellung hochkonzentriert und äußerst angestrengt wirkte und dann bei einsetzendem tobendem Applaus in strahlende Freude und Erleichterung wechselte.

Der Abend war ein Farbrausch und ein Schauspiel der Ästhetik. Während die ersten zwei Drittel der Vorführungen ungewohnt modern und lebhaft waren, kam dann im letzten Drittel auch die für Roncalli typische Poesie zum Vorschein. Ich bin alles andere als ein Opernfan, aber als eine wunderschöne Ballerina zu klassischer Musik im blassblauem Licht tanzte und dabei nach und nach von ebenso schönen Tänzerinnen in schillernden Phantasiekostümen umkreist wurde, verstand ich plötzlich zum ersten Mal, wieso manche Menschen in der Oper weinen.

Als sich die Vorstellung dem Ende zuneigte, hatte man das Gefühl, ein wenig verzaubert worden zu sein.