Rabenschwarze Pädagogik und was daraus entsteht
Vorgestern habe ich mir den Film „Das weiße Band“ angesehen. Die bedrückende Atmosphäre des Films hallt noch lange nach. Mein Kollege, mit dem ich mich über den Film unterhielt, sagte mir, dass er schlecht geschlafen hatte, weil ihn der Film noch im Traum beschäftigte.

Ein weißes Band, das den Kindern ins Haar oder um den Arm gebunden wird, damit sie durch die weiße Farbe immer an Unschuld und Reinheit erinnert erinnern werden. Und die gerade dadurch ihre Unschuld und Reinheit verlieren. Das Leben als Kampf gegen die überall gewähnte Versuchung, der jede Sekunde widerstanden werden muss. Für Lachen, Spaß und Lebensfreude ist da kein Platz mehr. Nur noch für Angst und Hass.

In dem Film braut sich langsam eine Art Verschwörung zusammen. Die gepeinigten und gedemütigten Kinder schlagen zurück. Einem uralten Prinzip folgend, lauern sie im Hinterhalt und richten ihren Hass vorzugsweise gegen Schwächere. Man kann Schritt für Schritt verfolgen, wie aus Opfern Täter werden. Das Grausame an der schwarzen Pädagogik ist, dass sie sich fortpflanzt. Wer gedemütigt und misshandelt wird, gibt die Demütigung und den Hass weiter.

Vor ein paar Tagen habe ich mit meiner Tante telefoniert, mit der ich mich bisher kaum unterhalten habe, weil sie in Amerika wohnt. Sie erzählte mir, dass meine Oma sie so lange mit einem Bügelbrett geschlagen hatte, bis sie blutete und eine Nachbarin eingriff. Grund war die Tatsache, dass sie zu spät nach Hause kam und meine Oma vermutete, dass meine Tante mit ihrem Freund – ihrem jetzigen Ehemann – Zärtlichkeiten ausgetauscht hatte. Wie viel Selbsthass muss jemand in sich tragen, um ein Kind blutig zu schlagen? Und so zu demütigen, dass das Kind vor Scham in den Boden versinkt?

Da eigentlich Dramatische an der schwarzen Pädagogik ist die Angst, die sie erzeugt. Erst diese Angst macht es möglich, dass Macht missbraucht wird. Menschen, die Angst haben, sind für alles instrumentalisierbar. Sie können wie Marionetten gesteuert werden. Auch wenn aus dem Kind längst ein erwachsener Mensch geworden ist, handelt der Mensch immer noch so, als wäre er noch immer ein Kind, das sich nicht wehren darf oder kann.

Und während ich mir kurz nach dem Film noch sicher war, dass die schwarze Pädagogik in dieser extremen Form endgültig vorüber ist, kam mir nach einiger Zeit Bedenken. Hat die schwarze Pädagogik wirklich keine Spätfolgen mehr und ist mittlerweile in den Folgegenerationen quasi so ausgedünnt, dass nichts mehr weitergegeben wird?

Wenn ich mich so umschaue, dann haben einige Menschen in meinem Umfeld auf erschreckende Art Ähnlichkeit mit den drangsalierten Kindern aus dem Film. Menschen, die trotz ihres Erwachsenseins ängstlich ducken und auch dann nicht widersprechen, wenn es dringend erforderlich wäre. Die Kritik nur hinter vorgehaltener Hand und grundsätzlich niemals direkt äußern. So wie die Kinder in dem Film nie auf die Idee kommen würden, sich gegen ihre Peiniger aufzulehnen, sondern stattdessen alles tun, um den Anschein von Wohlverhalten zu erwecken. In dem gleichen Maß, in dem diese Menschen nett und freundlich gegenüber denjenigen sind, vor denen sie Angst haben, zeigen sie Respektlosigkeit und Abfälligkeit gegenüber all denjenigen, die ihnen gegenüber nicht in einer überlegenen Situation befinden. Ein Verhalten, dass treffend mit dem Ausspruch „nach unten treten – nach oben ducken“ charakterisiert wird.

Ich glaube nicht, dass die schwarze Pädagogik völlig verschwunden ist. Sie bildet noch immer einen Nährboden der Angst, auf dem Menschen heranwachsen, die grinsend mit ansehen, wie anderen Menschen Unrecht getan wird. Die auch ohne Knute ängstlich stramm stehen vor denjenigen, die sich wie Oberfeldwebel aufführen. Die feige schweigen, wenn Menschen um ihr hart verdientes Geld betrogen werden oder wenn Menschen von jemandem – wie im Film von Ulrich Tulkur als Baron treffend dargestellt – nur als Einkommensquelle angesehen werden. Und die gern auf diejenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen, verächtlich herabblicken.

Man beginnt mit dem Thema schwarze Pädagogik und landet auf irgendeine Weise immer – bei der Feigheit!




"Die auch ohne Knute ängstlich stramm stehen vor denjenigen, die sich wie Oberfeldwebel aufführen."

Ist das nicht ein bisschen leicht gesagt? Um solche Mechanismen zu überwinden, braucht es Bewusstsein, und nicht bewusst zu sein ist keine bewusste Entscheidung - sonst wäre ja alles viel einfacher.

Die Angst vor altem Schmerz ist eine Macht, die nicht zu unterschätzen ist. Nimm es mit bitte nicht übel, aber ich finde diese Haltung beinahe ein bisschen überheblich. Außerdem sind Menschen, die in ihrer Kindheit Schlimmes erleben mussten, nicht durchweg feige.

Nicht jedem ist es gegeben, genügend Einsicht in das eigene Verhalten zu haben und zu erkennen, was falsch läuft, und ich denke, man muss zumindest ein paar Schritte in den Schuhen des anderen gegangen sein, bevor man Schlüsse zieht.

Natürlich ist es wünschenswert, dass sich jeder aufrecht und korrekt verhält, aber so ist es nun einmal nicht. Wäre es nicht sinnvoller, konkrete Probleme mit Heuchlern und Feiglingen direkt vor Ort im deutlichen Gespräch zu lösen, anstatt darüber zu spekulieren, ob jedes geprügelte Kind hinterher zu einem feigen Jasager wird?

Ein deutliches Gespräch vor Ort“ wäre natürlich eine gute Alternative. Genau das habe ich versucht und genau damit bin ich heftig auf den Bauch gefallen. Es mag überheblich klingen, wenn ich das ängstliche Strammstehen kritisiere. Aber gerade dieses ängstliche Strammstehen kann einen Schaden anrichten, der genauso verheerend ist, wie das, was körperliche Gewalt anrichtet. Das ist es ja, was ich damit meine, wenn ich sage, dass die Grausamkeit der schwarzen Pädagogik darin liegt, dass sie sich fortpflanzt. Die Angst vor altem Schmerz ist eine Macht, die nicht zu unterschätzen ist. Zu unterschätzen ist aber genauso wenig das Unheil, das jemand durch Feigheit anderer erleiden muss. Der Film macht es in meinen Augen sehr deutlich, in welchem Zusammenhang das persönliche Leid des Einzelnen mit dem Schicksal anderer zusammenhängt.

Wenn ich von anderen höre, dass psychisch kranke Betreute heulend von einem Gespräch mit ihrem Betreuer wiederkommen und selbst neutrale Begleitpersonen geschockt davon sind, wie unwürdig jemand Menschen behandelt, dann habe ich mehr Mitleid mit denen, die unter dem Verhalten desjenigen leiden, als mit all denjenigen, die ein derartiges Verhalten (auch wenn der Grund hierfür seine Ursache hat) schulterzuckend tolerieren.

Das bleibt Dir natürlich unbenommen. Das Blöde dabei ist, dass Selbstkritik sich nicht verordnen lässt.

Weder wollte ich Fehlverhalten kleinreden, das durch Ignoranz, Gleichgültigkeit oder Feigheit entsteht, noch die Effekte, die das bei Menschen zeitigt, die sich nicht wehren können. Ich denke ja, Du kennst mich gut genug, um meine Haltung in der Sache einschätzen zu können.

Mir fällt nur auf, dass Du offenbar wieder einmal einen dicken Hals hast, was das Verhalten der Menschen in Deinem beruflichen Umfeld betrifft. Sicher gehen dort auch gewaltige Sauereien vor sich, und ich würde mir an Deiner Stelle überlegen, was für Konsequenzen die Tatsache für Dich persönlich hat, dass Du das weder tolerieren noch ändern kannst.

Was mir nur auffällt ist, dass Du die Feigheit und das Fehlverhalten der anderen aus der Schwarzen Pädagogik ableitest, die Du scharf verurteilst, aber gleichzeitig wenig Verständnis dafür aufbringst, dass aufgrund eben dieser Pädagogik (die sich, wie Du richtig anmerkst, vererbt) viele Menschen nicht in der Lage sind, sich über ihr Fehlverhalten bewusst zu werden und hinwegzusetzen. Und verstehen heißt hier nicht verzeihen.

Ich finde, dass Du einen sehr hohen Maßstab an den Menschen allgemein anlegst. Fast wirkt es auf mich, als mache es Dich wütend, dass nicht die anderen es genau so sehen können wie Du. Die Frage ist wohl, ob Du Dich daran notwendigerweise abarbeiten musst. Stellung beziehen gegen so etwas ist das eine, aber etwas anderes ist es, immer wieder vergeblich zu versuchen, den anderen zu ändern und dabei möglicherweise auch zu hart zu sich und anderen zu sein.

Der Appell an das Verständnis ist immer auch eine relative Angelegenheit. Ich kann mich noch an eine Diskussion in Deinem Blog erinnern, in dem es um Verständnis für die Eltern ging und Du ziemlich deutlich klar gemacht hast, dass Du die Freiheit haben möchtest, kein Verständnis aufzubringen – wogegen auch absolut überhaupt nichts einzuwenden ist, weil jeder Mensch das Recht (und meist auch gute Gründe) hat, kein Verständnis aufbringen zu wollen. Allerdings gibt es genauso gute Gründe dafür, den Appell an das Verständnis für Feigheit abzulehnen, wie es Gründe dafür gibt, den Appell an das Verständnis für die Eltern abzulehnen. Du kannst nicht beurteilen, welche Traumatisierungen andere Menschen durch Feigheit erlebt haben. Ich möchte dieses Thema nicht mehr weiter vertiefen, nur eins sei abschließend noch gesagt – die Folgen, die Feigheit in meinem Leben angerichtet hat, stehen den Folgen einer repressiven Erziehung in nichts nach.

Wenn ich mich recht erinnere, ging es in meinem Blog um Versöhnung und Verzeihung. Aber ich will da auch keine Haare spalten - ich wusste, dass Du das aufgreifen würdest. Meinen Vater zu verstehen ist eine andere Gewichtsklasse, als ihm zu verzeihen. Und verstehen kann ich Ursache und Wirkung in seiner persönlichen Geschichte durchaus, auch wenn ich ihm niemals verzeihen werde und das auch für falsch halte.

Auch ich werde mich jetzt zurückhalten, denn in der Tat hast Du Recht, ich kann es nicht beurteilen. Ich hatte nicht gewusst, dass meine (selbstverständlich subjektive) Meinung zum Thema als Anmaßung aufgefasst wird und hatte das auch gerade hier nicht erwartet, aber möglicherweise muss ich auch nicht zu allem meinen Senf geben. Ich nahm an, dass ich einige Gedankenanstöße liefern könnte, aber da habe ich wohl den falschen Schluss gezogen, dass eine Perspektive von außen irgendwie hilfreich sein könnte. Es scheint Dich eher sauer zu machen, daher ziehe ich mich jetzt einfach zurück.

Merci de partager les avis sur ce film, je cherchais des informations et venir au sein de votre poste, merci pour le partage!

Regards,
web-design Deutschland

Ce film m’a touché beaucoup et la discussion avec mon collegue – qui ne pouvait pas dormir a cause de ce film – ausssi. Je ne sais pas, si l’expression «pedagogigue noire» existe aussi en francais. J’ai lu les livres de Alice Miller, qui parle sur ce sujet. Je pense, Alice Miller aimerait bien ce film.