Müde und erschöpft und Thema Seelenverwandtschaft
Bin eben erst von der Arbeit zurückgekommen und habe fast 13 Stunden ohne Unterbrechung gearbeitet. Und weil ich zu aufgekratzt zum schlafen bin, habe ich mir die Rilke-Gedichtseite aufgerufen. Die Wirkung von Rilkes Gedichten auf mich ist verlässlich – ich komme wieder zu mir. Etty Hillesum, die ebenfalls ein sehr großer Rilke-Fan ist, hat mal geschrieben „Rilke ist für mich realer als ein Umzug“. Das klingt zwar ein wenig holperig, aber letztendlich ist es dass, was ich auch empfinde.

Es gibt so etwas wie eine Seelenverwandtschaft, das Gefühl, den gleichen Ursprung zu haben. Gleiche Wertigkeiten. Gewissermaßen eine Bestätigung, dass man nicht allein ist mit seinen Abneigungen und Vorlieben. Die Abneigung gegen Städte zum Beispiel verbindet mich mit Rilke (mit Hesse übrigens auch). Ob das eine Alterserscheinung ist? Als Jugendliche liebt man den Rummel und die vielen Menschen. Jugendliche wünschen sich, dass etwas passiert. Am besten laut und bunt. Ich genieße immer mehr die Stille. Obwohl – es gibt auch Ausnahmen. Wenn ich an Prag oder an Vientiane denke, kommt doch wieder ein Gefühl dafür auf, wie anziehend Städte sein können. Ein guter Kompromiss sind kleine kuschelige Städte. Calw (Hesses Geburtsstadt) zum Beispiel oder Husum.

Wie dem auch sei. Ich werde – Dank Rilkes Gedichten – endlich ruhiger und kann hoffentlich gleich schlafen. Bin mir gar nicht sicher, ob man so einfach Gedichte (Rilke ist noch keine Hundert Jahre tot) hier zitieren darf. Ich tue es in der Annahme, dass dies erlaubt ist.

Die großen Städte sind nicht wahr; sie täuschen
den Tag, die Nacht, die Tiere und das Kind;
ihr Schweigen lügt, sie lügen mit Geräuschen
und mit den Dingen, welche willig sind.

Nichts von dem weiten wirklichen Geschehen,
das sich um dich, du Werdender, bewegt,
geschieht in ihnen. Deiner Winde Wehen
fällt in die Gassen, die es anders drehen,
ihr Rauschen wird im Hin- und Wiedergehen
verwirrt, gereizt und aufgeregt.

Sie kommen auch zu Beeten und Alleen.




mit Angabe der Quelle kann man immer zitieren...

Ich glaube, die Anziehungskraft der Städte wird im Alter - im richtigen Alter wieder größer: wenn man nicht mehr gut zu Fuß ist, wenn das Auto nicht mehr beherrschbar ist....spätestens dann ist das Häuschen am Waldrand keine gute Idee mehr..