Ein altes Lebensgefühl
Eben gerade bin ich zurückgekommen vom Hamburger Hafengeburtstag. Es ist schon Ewigkeiten her, dass ich an diesem Fest teilgenommen habe, da es mir meist zu voll ist. Jetzt wollte ich aber unbedingt mal wieder die Einlaufparade der Schiffe sehen. Da es am Kai zu drängelig war, machten wir kurzentschlossen eine Hafenrundfahrt. Und dadurch waren wir mittendrin im Geschehen. Herrliche alte Segelschiffe, Dampfer und sogar ein paar Kreuzfahrtschiffe. Außerdem ein kurzer Abstecher in die schöne alte Speicherstadt. Dazu schönster Sonnenschein und der Geruch von Meer, den ich so liebe.

Wieder zurück an Land haben wir uns dann in das Getümmel gestürzt. Und nach langer Zeit habe ich mal wieder getanzt, denn ich bin tatsächlich auf eine Gruppe gestoßen, die genau die Musik spielte, die mir gefällt. Mir tun die Füße weh und ich bin total erschöpft. Ich hatte völlig vergessen, dass Tanzen Spaß macht. Summer in the city von Lovin Spoonful, Rollin on the river von Ike & Tina Turner, Sweet Home Alabama von Lynyrd Skynyrd und Whatever you want von Status Quo. Dazu noch zwei Gläser eiskalter Sangria und vielleicht sogar ein – oder zwei kleine Flirts – und plötzlich erinnert man sich wieder an das Lebensgefühl, das man hatte, als man noch inmitten des Geschehens war und nicht irgendwo am Rande.

Je länger die Gruppe spielte, desto mehr Menschen kamen hinzu, denen die Musik ebenfalls gefiel. An sich etwas völlig Normales. Aber irgendwie auch nicht. Die Menschen unterschieden sich völlig von denjenigen, mit denen ich in meinem Alltag zu tun habe. Ich habe mich unter diesen Menschen heute Abend nicht viel anders gefühlt, als vor dreißig Jahren. Menschen, die vor Lebensfreude strotzen und nichts anderes verkörpern wollen, als das, was sie tatsächlich sind.

Mir gibt es zu denken, das es mir zu denken gibt. Etwas, was früher so normal war, das ich es gar nicht wahrgenommen habe, löst heute bei mir philosophische Anwandlungen aus. Ich habe einen Abend in einer Situation verbracht, die Welten entfernt ist von der Welt, in der ich normalerweise lebe. Meine normale Welt ist die der Bürofräulein und der schauerlichen Gespräche über gänzlich überflüssige Dinge. Eine Welt, deren Geistlosigkeit und Konformität von der ängstlichen Sorge geprägt wird, irgendwo aufzufallen.

Das Leben kann herrlich unkompliziert sein – daran habe ich mich heute wieder erinnert. Es gibt Orte und Situationen, an denen man Kraft auftanken kann. Es gibt Dinge und Menschen, die krank machen. Aber es gibt eben auch Dinge und Menschen, an denen man gesunden kann. Durch die man wieder spürt, dass man völlig richtig ist, so wie man ist und absolut nichts verkehrt ist.

Nichts, aber auch gar nichts ist verkehrt daran, kein kleines Bürofräulein zu sein.