Das Eva Braun Syndrom ist kein deutsches Phänomen (auch oder gerade in der Light-Version)
Vor kurzem habe ich mir eine Reportage über die Reaktionen zu den Mohammed- Karikaturen angesehen. Ich will hier nicht auf den Wahnwitz eingehen, dass ein paar Zeichnungen bürgerkriegsähnliche Zustände mit etlichen Todesopfern auslösten. Was bei den Bildern der Demonstrationen und Gewaltausbrüchen meine Aufmerksamkeit auf sich zog, waren die im Hintergrund jubelnden und kreischenden Frauen. Jene Frauen, die ihre Männer, Brüder und Söhne beim Stürmen von Gebäuden und beim Brandbombenwerfen hysterisch anfeuerten. Die gleichen Frauen, die vielleicht nur wenige Stunden vorher liebevoll mit ihren Kindern gespielt haben, fürsorglich das Essen für die Familie gekocht haben und die aufmerksam dafür sorgen, dass das Heim gemütlich und behaglich gestaltet ist.

Eben diese fürsorglichen und liebevollen Frauen feuern ihre Männer bei ihren Gewaltausbrüchen an. Frauen, die kein Problem damit haben, dass der eigene Ehemann vielleicht gerade vor ein paar Stunden mit einem Anschlag Menschen (darunter vielleicht auch Kinder) getötet hat.

Die Welt ist voll von solchen Frauen, die die Gewalt ihrer Männer bejubeln. Es ist ein weltweites Phänomen, das seit Urzeiten existiert, und das ich als Eva Braun-Syndrom bezeichne. Dieses Syndrom ist weder auf die arabische Welt noch auf Deutschland beschränkt, sondern es ist ein Phänomen, dass sich durch ausnahmslos alle Kulturen und durch alle Epochen zieht. Eva Brauns Schwestern sind überall und heißen Margot, Aischa, Jian, Elena, Khieu, Evita oder Carmen.

Manche dieser Frauen bleiben ihr Leben lang im Schatten, andere steigen zu eigenem Ruhm auf. Einige beteiligen sich der Politik, anderen reicht der Raum des Privaten völlig aus. Einige gehen voll und ganz in der Rolle der mütterlichen Gefährtin und Gebärerin auf, andere bevorzugen die Rolle der mondänen in Haute Couture gekleideten Schönheit.

Aber alle diese Frauen haben eines gemeinsam – die Sehnsucht nach dem starken Mann, der Schutz und Sicherheit verspricht. Und wenn irgend möglich, nicht irgendeinen Mann, sondern die Nummer eins – das Alphamännchen. Denn was stellt eine bessere Garantie für die sichere Aufzucht des Nachwuchses und ein sorgenfreies Leben dar als ein Alphamännchen? Und so wie es für Eva Braun sogar mitten im Bombenfeuer und drohendem Untergang nichts Wichtigeres gab, als endlich den eigenen Namen loszuwerden und gegen den des Führers einzutauschen, so ist es Evas Schwestern auch heute noch völlig gleichgültig, in was für Monstrositäten ihr Alphamännchen verstrickt sein mag – Hauptsache, sie werden geheiratet.

Dafür wird dann so manches in Kauf genommen, wie z.B. der Umstand, dass Alphamännchen in der Regel mit anderen Dingen beschäftigt sind als mit ihren Gefährtinnen. “Von nichts kommt schließlich nichts” ist dann die knappe Erklärung für die häufige Abwesenheit und den geringen Einsatz im familiären Feld. Aber da Alphamännchen naturgemäß zu den wohlsituierten Vertretern ihres Geschlechts gehören, gibt es ausreichend materiellen Ersatz für persönliche Mankos.

Eva Brauns Schwestern leben überall. Und diese Schwestern verbindet eine ausgeprägte Gleichgültigkeit für alles, was nicht unmittelbar mit der Familie zu tun hat. Und während der Mann Bomben wirft, Todesurteile unterzeichnet oder Menschen wie Sklaven schuften läßt, bereitet Maria liebevoll die Erstkommunion des Sohnes vor, läßt Leyla sich im Hamam verschönern, versorgt Jian fürsorglich die Familienmitglieder mit lukrativen Posten und plant Katharina die erste Modenschau der Tochter.

Jedes Mal, wenn ich etwas über Folter, Krieg, Terrorismus oder Ausbeutung lese, höre oder sehe, kommt mir sofort der Gedanke, dass zu all diesen Monstern auch eine Frau gehört. Jeder Kapo, jeder Henker, jeder Juntaanghörige, jeder Diktator, jedes Mafiamitglied hat eine Frau oder Geliebte an seiner Seite. Und ich muss ehrlich sagen - manchmal ekel ich mich vor meinen Geschlechtsgenossinen. Und mich beschwichtigt dabei weder die Arme-Opfer-Theorie noch irgendwelche psychoanalytischen Erklärungsmodelle.

Und selbst wenn ich mich dieser Thematik nicht mehr widmen würde – es gibt immer noch die alltägliche Realität, der man nicht entfliehen kann. Hier gibt es zwar keine Militärjunta, keine Mafia und keine Folter. Aber es gibt jede Menge Alphamännchen, die ihren Fuß überall hinsetzen und vor denen nichts sicher ist. Männer, die andere auf erbärmliche Art ausnutzen, Männer, die sich an allem und jedem bereichern und die das Auftreten von Obersturmführern haben, das andere in Angst und Schrecken versetzt. Männer, die erbarmunglos jeden Hauch von Kritik niederwalzen und die damit eine Kettenreaktion von Unterwerfung auslösen.

Man könnte diese Exemplare “Diktator-light” nennen. Und auch diese Light-Diktatoren finden bei der Partnerwahl ihre Entsprechung. Denn für jeden "Light-Diktator” findet sich irgendwann auch eine “Eva Braun-light”. Eine kleine unpolitische immer nette Eva. Eine Mutter Theresa, die alles verzeiht und alles versteht. Mit einer Ausnahme – man darf ihr Pendant nicht angreifen. Dann weckt man in ihr die Löwenmutter, die ihr Junges verteidigt. Eva Braun-light ist die passive Variante einer Komplizin. Sie schießt nicht selbst, aber sie guckt milde lächelnd zu, wenn ihr Mann schießt. Sie würde niemanden betrügen, aber keine Macht der Welt würde sie dazu bringen, einzugreifen, wenn ihr Mann betrügt (es sei denn, sie selbst ist die Betrogene…). Eva Braun-light ist der Archetypus der Jasagerin, der immer Angepassten. Der Archetypus der ewig Zuschauenden, die für sich immer die Generalentschuldigung “Ich habe doch gar nichts getan” in Anspruch nimmt – und damit noch nicht einmal Unrecht hat.

Männer legen die Welt in Schutt und Asche. Und ihre Frauen sehen ihnen dabei zu. Manchmal laut jubelnd, manchmal nachsichtig lächelnd. Aber auf jeden Fall die archaische Rolle des ewig Passiven beibehaltend.