The roaring seventies – still alive
Musik ist auch immer ein Stück Zeitgeschichte. Heute habe ich eine Zeitreise gemacht. Ich war gerade auf dem Classic Rock Festival. Roger Chapman, Jethro Tull, Eric Burdon, The Australian Pink Floyd Show. Eigentlich auch Ten Years After, aber da wir zu spät kamen, haben wir die zu unserem großen Bedauern verpasst.

Und endlich einmal Musik, die mir gefällt. Kein Bushido, der von Schlampen und Nutten singt, kein Mehrzad Marashi und auch kein Mark Medlock.

Früher entstanden Bands dadurch, dass sich Musiker zusammentaten, weil sie Lust auf Musik hatten. War die Musik gut, dann wurde die Gruppe irgendwann berühmt. War sie schlecht, dann wurde sie's nicht. Die Zuhörer haben dies entschieden. Manager und Agenten kamen erst dann hinzu, wenn sich die Gruppe schon hochgespielt hatte. Begonnen hat alles meist in ungeheizten, schmuddeligen Übungskellern und in winzigen Pubs. Mit anderen Worten – es lief genau umgekehrt wie heute. Heute werden irgendwelche x-beliebigen Menschen gecastet und wenn sich jemand als vielversprechend in Bezug auf den Geschmack der Masse erweist, dann wird er hochgepusht. Und irgendwann verschwindet er oder sie wieder in der Versenkung.

Roger Chapmans „Shadow on the wall“ und "16 tonns", Jethro Tulls „Locomotive Breath“ und Eric Burdons "We gotta get out of this place ( If it's the last thing we ever do, Girl, there's a better life for me and you, Somewhere baby, somehow I know it). Alles schon Rockgeschichte. Ian Andersons Querflötensoli und dann tatsächlich ein, nein sogar zwei Schlagzeugsoli. Und besonderer Ohrenschmaus das Solo der Sängerin der Australian Pink Floyd Show in "Great Gig in the sky". Gesangssolo? Jawohl so etwas gibt es (oder vielmehr gab es)! Wer sich daunter nichts vorstellen kann - unbedingt anhören:

Ich war nicht nur auf die Gruppen gespannt, sondern auch auf die Besucher. Und tatsächlich – jede Menge Leute meines Alters. Ein völlig ungewöhnlich und nahezu unbekanntes Gefühl. Nicht das es keine anderen 50jährigen geben würde – natürlich gibt es davon jede Menge. Aber die aus meinem Umfeld gehen nicht auf solche Konzerte, sondern interessieren sich hauptsächlich für Geldanlagen, Alterssicherung, neue Möbel und für die Frage, wie man es schafft, überall einen guten Eindruck zu machen.

Mein Bild hat sich ein wenig zurechtgerückt. Und das Festival war einfach nur gut. Zu sehen, dass manche Musiker mit dem Alter sogar noch besser werden. Eric Burdons Stimme hat mir schon immer eine Gänsehaut bereitet, aber er ist live einfach noch besser und seine Stimme ist noch stärker geworden. Leider keine Zugabe, ich hätte sooo gern noch „Tobacco Road“ oder „Paint it black“ gehört. Natürlich bin ich tieftraurig, dass ich Ten Years After verpasst habe – auf den Gleisen in Richtung Hamburger City hat es gebrannt und so verzögerte sich alles.

Ich habe jetzt ein leises Pfeifen in den Ohren – ich stand ganz vorne neben den Boxen – und meine Füße schmerzen (7 Stunden stehen). Was ich von diesem Tag sonst noch mitnehme, ist die Erkenntnis, dass der Ausspruch J.D.Salingers „Erwachsenwerden ist Verrat am Selbst“ doch nicht auf alle Menschen zutrifft. Die Menschen, die ich da auf der Bühne gesehen habe, haben ihr Selbst nie verraten. Sie sind authentisch und nicht nur das, sie lassen andere von ihrer Authentizität profitieren. Und die vielen Menschen, die anscheinend die Musik genauso wie ich genossen haben, wirkten auch nicht wie „Selbstverräter“.

Manche Musik tut gut. In guter Gesellschaft sogar noch mehr. Eigentlich ein perfekter Abend. Es gibt doch nicht nur Unangenehmes. Und es gibt uns noch.





Encore très sexy? Meme plus!
Aber Ohne Häme geht es nicht ab, wenn Leute über 50 es wagen, noch immer an die Öffentlichkeit zu treten. „Jungs, was seid ihr alt geworden!“ titelt die Hamburger Mopo einen Tag nach dem Konzert und belegt dies mit Vorher-Nachher-Bildern. Und weist triumphierend auf das jetzt viel schüttere oder inzwischen ergraute Haar hin.

„Gelegentlich blitze bei Eric Burdon noch etwas von der Urgewalt vergangener Tage auf“ Hat die Mopo einen Bushido-Fan aufs Konzert geschickt? Oder vielleicht einen Dieter Bohlen-Anhänger? Oder hat der Reporter vielleicht nebenbei mit dem Handy telefoniert und das Meiste gar nicht mitbekommen?

Ich kenne die Konzerte des jungen Eric Burdon ja nur aus Filmausschnitten. Aber auch jetzt ist er eindeutig quicklebendig und seine Stimme noch gewaltiger als je zuvor. Und selbst mein Freund kam nicht umhin zuzugeben: "Encore très sexy!"