Countdown fürs Klassentreffen

Wieso bin ich nur so dickbackig? Hatte ich Mumps? Aber doch nicht mehr in der 1o. Klasse?

Noch eine knappe Woche und das erste Klassentreffen nach 35 Jahren findet statt. Es hat mich eine Menge Vorbereitungszeit gekostet – obwohl ja Dank Internet alles sehr viel einfacher ist als zur Zeit des Briefeschreibens. Nur 2 haben keine Lust und somit werden wahrscheinlich 23 Ehemalige erscheinen.

Und ich bin aufgeregt und trotzdem ist mir mulmig. Der Grund für meinen Wunsch nach einem Klassentreffen war Neugier und auch ein wenig Nostalgie. Sehnsucht nach Menschen, mit denen es Spaß gemacht hat, zusammen zu sein. Aber meine Erinnerungen stammen aus einer längst vergessenen Zeit – im doppelten Sinn. Sowohl im rein zeitlichen Abstand als auch im Hinblick auf die Phase, in der wir uns sich damals befanden. Jugendliche kümmern sich noch nicht um ihre Altersvorsorge, gehen nicht auf Tupperfêten und ducken noch nicht vor allem und jedem. Jugendliche haben Ideale und Ideen, motzen gegen Obrigkeiten und hassen Ungerechtigkeiten. Rockfestivals, politische Diskussionen, Demos und Rebellion gegen die Eltern.

Insgeheim sehne ich mich wahrscheinlich nach dieser Zeit zurück. Ich bin mehr als frustriert über die meisten Menschen um mich herum, die nichts anderes mehr interessiert als Geldanlage und der gute Eindruck nach außen. Es geht um nichts anderes mehr als um Einbauküchen, Geldanlagen, und das Bewerten des äußeren Erscheinungsbilds anderer. Wie eine endlos lange Nonstop-Vormittagstalkshow eines Privatsenders.

Aber Sehnsucht nach früher birgt auch immer die Gefahr des Idealisierens. Es war nicht alles toll damals – Pubertät ist schwierig und so manche Dinge kommen einem im nachherein ziemlich albern und peinlich vor.

Habe ein wenig Angst, dass aus den Originalen von damals Dutzendware geworden ist und mir die letzte Illusion flöten geht. Bei denjenigen, zu denen ich noch Kontakt habe, ist das nicht der Fall. Meine Freundin wird extra aus Berlin kommen und selbst wenn das Klassentreffen nicht das hält, was ich mir davon versprochen habe, werde ich zumindest mit meinen Freunden einen schönen Abend verbringen.

Apropos Mein Haus, meine Frau, mein Auto – meine 5er Clique von früher:

2 Sozialpädagogen
2 Taxifahrerinnen
1 Hartz-IV-Empfängerin

Von 5 Leuten hat niemand ein Haus und nur einer hat ein Auto! Eigentlich die beste Voraussetzung dafür, dass es nicht langweilig werden kann...




Kommt ja auch immer drauf an, mit was für einer Erwartung man zu so einem Klassentreffen geht. Klar wird es dabei immer die Angeber vom Dienst geben, die großen Vergleicher und Abschätzer.

Als wir unser 10jähriges Klassentreffen hatten, war ich überrascht, weil sich mit denjenigen, von denen ich "dicke Hose" erwartet hatte, der Abend am freundlichsten verleben ließ.

Natürlich ist es spannend zu sehen, was so aus den Leuten geworden ist, aber das Problem an der Sache sind immer Bewertungen - die eigenen oder die der anderen, und wieviel man sich daraus macht, wie sehr man im Abschätzungs-Zirkus mitmacht und sich auf die Hinterbeine stellt, um selbst möglichst erfolgreich und amüsant dazustehen. Womit wir irgendwie wieder zurückkommen auf das Thema Authentizität. So schnell kann es gehen.

Ich kann mir übrigens beim besten Willen nicht vorstellen, dass Du auf eine Tupperparty gehst (geschweige denn, eine gibst...)

Ich habe auch gar nicht so viel Angst vor dem Vergleichen, da ich glaube, dass das von unserer Klasse niemand machen würde. Einen kleinen Eindruck konnte ich mir ja schon durch die Anruferei machen. Ich habe vielmehr Befürchtungen, dass aus den Mitschülern, von denen viele sehr individualistisch waren, jetzt vielleicht Menschen geworden sind, die sich völlig angepasst haben und sich für nichts mehr interessieren. Viele aus unserer Klasse hatten trotz des zarten Alters von 16 schon ausgeprägte Ansichten und Ideale.

Ich hacke zwar immer auf Tupperfêten rum, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich auch Unmengen von Krims und Krams in der Küche. Ich koche und esse sehr gern und bin dafür auch gut ausgestattet. Tupperfêten sind für mich vielmehr ein Synonym für Menschen, die sich eben ausschließlich nur mit so etwas befassen und die völlig genervt sind, wenn man vielleicht auch mal ab und zu über etwas anderes unterhalten möchte. So wie Du zum Beispiel in Deinem Blog. Dich interessiert etwas und Du machst Dir darüber Gedanken und regst Dich manchmal auch über etwas auf. Und das finde ich eben auch sehr wichtig, weil man sonst abstumpft und verblödet.

P.S.: Ich gehe zwar nicht auf Tupperfêten, aber dafür gucke ich leider immer noch dieses saublöde „Sex and the City“ – soviel schlimmer als tuppern ist das auch nicht.