Yes, she can... Schlangenfrauen, Flötenspielerinnen und U-Bahn-Philosophinnen
Die traurige Frau in der Untergrundbahn

O wie versunken die Augen,
Hände, sie litten so sehr
unter den tödlichen Laugen,
Schwester, das Leben ist schwer.

Niederwärts brausen die Gleise,
doch wenn die Sonne uns ließ,
donnert nur dunkler die Weise:
Schwester, das Leben ist süß!

Elisabeth Langgässer (1899-1950)
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Die Weidenflöte

Ich bin kein Fahnenträger,
kein adleräugiger Wegweiser
auf unserer Reise in das Land von Morgen.
Ich bin eine Weide neben dem Strom,
durch die die Winde wehen,
von der der Geist des Aufruhrs in der Welt
eine einfache Flöte bricht,
um eine Melodie zu spielen,
in der es Sturm gibt, Schmerz, Liebe
und ein wenig Morgendämmerung.

Katri Vala (1901-1944)
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An eine diffamierte Dame

Freundin, mein schuppiges Luder,
wer wollte sich nicht an dir messen,
Erkenntnisträchtige,
bäuchlings einen Biß mit dir tauschen
und Giftbäume plündern,
um zu wissen, wo Gott wohnt!

Du hast die Erde bevölkert, Schöne,
um man hat die verflucht,
eingefangen als Corpus delicti,

Erfindung der Erbsünder. Lache,
mein schuppiges Luder,
und räche dich an den Lechzenden,
fahre den Heuchlern ans Bein,
schlage ihnen ein Schnippchen, den Kerlen
aus Adams Geschlecht.

Dagmar Nick (geb. 1926)




Begeistert
Ich bin von den drei Gedichten begeistert. Jedes auf seine Art gefällt mir. Das Gedicht Elisabeth Langgässers drückt Hoffnungslosigkeit und Hoffnung zugleich aus. Und außerdem gefällt es mir, daß den Menschen, die schwer arbeiten - Hände, sie litten so sehr - Aufmerksamkeit gewidmet wird, das ist schon seit langem aus der Mode.

An der "Weidenflöte" gefällt mir die Bescheidenheit. Nicht der immer noch im Kampfanzug gekleidete große Kommandante. Sondern kleine Alltagshelden. Die die wahren Bausteine für Veränderungen sind.

Die Hymne an die Schlage gefällt mir wegen der Formulierung "um zu wissen, wo Gott wohnt". Auch das ist seit langem aus der Mode. Man sucht nicht mehr nach Gott. Nach allem möglichen wird gesucht, gegoogelt und gecastet - aber ganz bestimmt nicht nach Gott.