Stichwort Buddhismus
Erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen westlicher Wissenschaft und Buddhismus

Eine höchst interessantes Phänomen ist für mich die Tatsache, daß sich viele ranghohe Buddhisten für westliche Wissenschaft interessieren. Nicht nur der Dalai Lama, sondern auch andere buddhistische Lehrer betreiben unter der Anleitung von westlichen Wissenschaftlern Studien und insbesondere die Quantenphysik stößt dabei auf großes Interesse. Momentan lese ich gerade das Buch „Buddha und die Wissenschaft vom Glück“ von Yongey Mingyur Rinpoche. Neben seinem schon als Kind begonnenen Studium des Buddhismus hat Yongey Mingyur auch schon früh ein ausgeprägtes Interesse an westlichen Wissenschaften entwickelt.

Dies ist auch nicht so verwunderlich, denn einige wissenschaftliche Thesen drücken genau das aus, was der Buddhismus schon seit viel längerer Zeit mit seiner Lehre vermitteln will. Es geht hier im Groben um die Unverläßlichkeit der menschlichen Erkenntnis. In der Quantenphysik wird ausgesagt, daß Materie manchmal stoffliche Eigenschaften zeigt, die man mit Teilchen in Verbindung bringt und manchmal die Eigenschaft von Energie-„Wellen“. Diese Erkenntnis hat die klassische Vorstellung zusammenbrechen lassen, in der Zustand des Universums durch die Positionen und Geschwindigkeiten der Teilchen beschreiben läßt.

Alles, was aus der Leerheit in Erscheinung tritt – Sterne, Galaxien, Lebewesen, Gegenstände und auch unsere Wahrnehmung von Zeit und Raum - , ist ein relativer Ausdruck der grenzenlosen Möglichkeit, eine momentane Erscheinung im Kontext der Unendlichkeit von Zeit und Raum. Mit anderen Worten, die Teilchen, aus denen sich das Universum aufbaut, können aus einer Sicht als „Dinge“ und aus einer anderen Sicht als sich durch Zeit und Raum erstreckende Ereignisse betrachtet werden.

Was mich eigentlich an dem Ganzen so fasziniert, ist die Tatsache, daß hier im Westen mühsam Schritt für Schritt durch Forschung und Studium Erkenntnisse entwickelt wurden, die in einer anderen Kultur auf einem ganz anderem Weg, nämlich durch den der Religion, also durch intuitives Erkennen entwickelt wurden. Zwei völlig unterschiedliche Wege – und ein verblüffend ähnliches Resultat.




Die Bedeutung des Leidens im Buddhismus
12.12.2009
Es gibt wohl keine unterschiedlichere Symbolik als die einer Buddhastatue und die eines gekreuzigten Jesus. Während Buddha uns im Lotossitz weise anlächelt, blickt uns Jesus im Augenblick seines größten Schmerzes und völliger Auslieferung an. Auf der einen Seite das Leben in seiner Vollendung des Glücks – auf der anderen Seite das Leben in seinem unendlichem Schmerz und Leid.

Jemand, der noch nie vom Christentum gehört hat, wird wahrscheinlich völlig befremdet sein darüber, daß eine Religion das Leiden zu einer anzubetenden Symbolik erhebt und wer der Sache nicht auf den Grund geht – was ja leider die wenigsten tun – wird leicht den Verdacht des Masochismus und der Verneinung des Lebens äußern. Und vielleicht den Vorwurf der Glorifizierung des Leidens erheben.

Nur darf man eines dabei nicht außer Sicht lassen: Leben ist mit Leiden verbunden und niemand kann das Leiden aus dem Leben fernhalten. Ein großer Irrtum ist die marxistische Theorie, derzufolge Leiden schon allein dadurch zu vermeiden ist, daß alle genug zu Essen und genug Arbeit haben und es keine Ungerechtigkeit mehr gibt. Schön wär’s – aber Leben ist differenzierter. Man verliert Menschen, die man liebt, man muß mit Alter und Krankheit leben und man bekommt längst nicht immer das, was man sich sehnlichst wünscht. Lohn & Brot für alle reicht also noch nicht, um Leiden abzuschaffen.

Es lohnt sich, den Begriff des Leidens in den beiden Religionen einmal zu vergleichen, denn bei beiden Religionen ist das Leiden ein ganz zentraler Begriff.

Der Buddhismus steht unter dem Zeichen der Vermeidung des Leidens. Buddha hat erst durch die Konfrontation mit dem Leiden eine Wandlung erfahren und sein weiterer Werdegang war dadurch gezeichnet, einen Weg zur Überwindung des Leidens zu finden, der sich in der völligen Abkehr vom weltlichen Leben äußerte. Buddhas Weg war der der Erkenntnis, daß alles Empfindung nur ein Schleier der Täuschung darstellt. Ihm ging es folglich darum, die Wirklichkeit zu erkennen und jegliche Bindung an Menschen oder Dinge zu lösen. Sein Weg war praktisch der Weg der völligen Loslösung. Buddha hat das Leiden überwunden, indem er die Gefühle, die zum Leiden führen, überwunden hat.

Jesus’ Weg war nicht der der Abkehr vom Weltlichen. Sicherlich hat er sich von einem an rein materiellen Werten orientierten Leben abgewandt, aber er hat sich nie dem Kontakt zu anderen Menschen entzogen. Sein Wirken war in der Welt. Im Christentum ist die Bedeutung des Leidens noch zentraler. Nur durch das Auf-sich-nehmen des Leidens kann Erlösung erfahren werden. Das Leiden muß durchlebt werden um zur Erlösung zu gelangen. Das Leiden wird nicht als Täuschung angesehen, sondern es ist real und existent.

Was beiden Religionen gemeinsam ist, ist die hohe Bedeutung, die dem Leiden beigemessen wird. Und in beiden Religionen ist der Umgang mit dem Leid von großer Wichtigkeit. Allerdings könnte der Umgang mit dem Leid kaum unterschiedlicher sein. Während der Buddhismus das Leiden als eine Folge einer falschen Lebenshaltung ansieht, sieht das Christentum das Leiden als Weg zur Erlösung an. Vielleicht macht der Auspruch Dostojewski dies deutlich: "Es gibt kein Glück im Wohlstand, durch Leiden wird Glück erkauft". Ähnlich formuliert auch Hermann Hesse: "Die Verzweiflung schickt uns Gott nicht, um uns zu töten, er schickt sie uns, um neuen Leben zu erwecken".

Man sollte sich auch dafür hüten, Leidensbereitschaft mit dem Begriff des Masochismus abzuwerten. Masochismus ist eine Spielart, in der Leiden künstlich erzeugt wird und in der auch nichts anderes als Leiden erlebt werden soll. Im Christentum stellt das Leiden eine Prüfung bzw. ein Aufgabe dar, die der Mensch bewältigen muß. Das Leiden im Christentum bedeutet das Tor, das es zu durchschreiten gilt, um zur wirklichen Tiefe der menschlichen Existenz zu gelangen.

Fortsetzung folgt

Buddhismus und Freud
Es gibt wohl kaum einen krasseren Gegensatz zwischen der Umgehensweise mit dem Leiden im Buddhismus und den Theorien Freuds. Freud sieht den einzigen Ausweg für die Überwindung des Leidens in einem konsequenten Aufarbeiten aller Traumen. Erst die Offenlegung der Ursache kann das Leiden zum Verschwinden bringen.

Im Buddhismus wird der Ursache so gut wie keine Bedeutung beigemessen. Einzig und allein unser Anhaften an Leidenschaften und unsere Art der gedanklichen Verarbeitung sind die Ursache für unser Leid.

Nach buddhistischer Ansicht bringt es überhaupt nichts, sich endlos mit dem Leiden zu beschäftigen, da es - streng genommen - genauso eine Illusion ist wie Gefühle überhaupt. Die Ratgeber von buddhistischen Gelehrten, die in erster Linie an uns Westler gerichtet sind, beschäftigen sich zunehmend mit der Frage nach dem Glück. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Freiwerden vom Leid. Und der hierfür zu beschreitende Weg ist die Loslösung von Gedankenmustern und Wertvorstellungen.