Mittwoch, 18. November 2020
Die Invasion der Nobodys, oder wer zum Teufel ist der Wendler?
Ich wollte schon seit langem mal etwas über diejenigen schreiben, die immer und überall in den Medien auftauchen, ohne dass diese Menschen irgendeine Wichtigkeit haben.

Jetzt nehme ich mir die Zeit dazu und das ist ausgerechnet eine Folge von – Corona!
Nein, nicht weil man da mehr Zeit hat. Der Grund liegt vielmehr darin, dass das Phänomen der Nobodys jetzt noch deutlicher wird, denn egal welche erschreckende Ausmaße die Pandemie annimmt, egal welche neuen Hiobsbotschaften es geben mag, egal was für wirtschaftliche Ausmaße die Folge sind – wirklich interessant sind immer noch andere Dinge: was sagt der Wendler, was macht Heidi Klum mit Tom Kaulitz unter der Dusche, in wen ist Piedro Lombardi verknallt, wie sieht der Brautstrauß von Silvi Meis und die neue Frisur von Daniela Katzenberger aus und vor allem, warum guckt Kim Kardashian auf einem Instagramm Foto so merkwürdig?

Nein, auch ich bin leider nicht unempfänglich für Tratsch und ich schließe mich voll und ganz Erica Jongs Erkenntnis „Tratsch ist Opium fürs Volk“ an. Aber selbst Tratsch sollte eine Mindestanforderung erfüllen und die betreffende Person sollte durch irgendetwas aus der Masse herausragen. Reicht es wirklich, dass jemand mal vor neun Jahren von einem Bachelor bis zur zweiten Halbzeit eine Rose erhalten hat? Ist jemand tatsächlich schon ein Promi, wenn er bei DSDS mitgemacht hat oder vielleicht noch nicht mal dies, sondern es lediglich zu einem „Recall“ gebracht hat? Muss man jedes Mal, wenn man im Handy Nachrichten lesen will, auf jemanden aufmerksam gemacht werden, weil der in der vierten Staffel im Dschungelkamp war?

Es gibt mehrere Wege, um Nobody-Promi zu werden. Für Frauen eignet sich da besonders der Start als Spielerfrau, der Aufstiegchancen bietet zur Jurorin von Gesangswettbewerben und dann die Möglichkeiten wie beispielsweise die einer Unterwäsche-Designerin bietet. Für Männer besteht diese Möglichkeit nicht, die müssen in der Regel erstmal selbst den Gesangskandidaten, den Bachelor oder den Bauern auf Brautschau abgeben um dann in Dschungelcamps, Sommerhäuser oder Container eingeladen zu werden.

Ja, es mag stimmen, Tratsch ist immer und überall dämlich und früher war es auch nicht anders. Ich kann da ganz gut mitreden, da meine Eltern einen Lesezirkel hatten. Neue Revue, Bunte, Quick, Neue Post etc. Kaum fing ich an zu lesen, wurde ich auch schon vertraut mit dem schweren Schicksal von Soraya, den Eheproblemen von Liz Taylor und Richard Burton und den Wohnverhältnissen von Heino. Ich erinnere mich noch genau, wie ich von unendlichem Neid erfüllt war, als ich mir die Fotoreportage über die Geburtstagsfeier irgendeines der Kinder des Schahs ansah. Ein eigener Spielplatz! Und dann erst die schönen Kleider von Farahnaz!

Die Welt der Illustrierten bestand aus Königen, Prinzessinnen, Schlagersängern, Schauspielern, Familiendynastien wie die der Thyssens, Bohlen-Halbachs und den Krupps sowie den Politikergattinnen, sofern sie sich Wohltätigkeitszwecken widmeten.

Also doch das Gleiche wie die Lombardis, Kadashians und die Wendlers? Ja und nein. Ein Schauspieler wird durch seine Filme bekannt, ein Schlagersänger durch seine Musik. Diese Bekanntheit stellt sich aber erst nach getaner Arbeit ein und ist abhängig davon, ob die Masse Gefallen daran findet. Angehörige von Monarchien stehen vom Tag der Geburt an im Focus, ohne dazu irgendetwas beigetragen zu haben und später kann der Job Repräsentationspflichten beinhalten, deren Wichtigkeit für eine Gesellschaft nicht unbedingt hoch ist, aber immerhin mit Arbeit verbunden ist. Zu einer Familiendynastie zu gehören, kann mit Arbeit verbunden sein, oder aber sich aufs Jet-Setting beschränken, wie dies bei Arndt von Bohlen-Halbach der Fall war.

Vielleicht ist das einer der Unterschiede – am Anfang eines Promis steht ein gesellschaftlicher Rang, eine künstlerische Arbeit, ein politisches Amt oder eine gesellschaftlich (mehr oder weniger) bedeutungsvolle Aufgabe. Am Anfang eines Nobodys jedoch steht eine Castingshow, in der mittelmäßige Künstler und andere mittelmäßige Nobodys nach ihrem mittelmäßigen Kriterien Mittelmäßigkeit küren. Und das setzt sich dann exponentiell – wie Corona – fort bis zur Invasion.

Und das ist er, der Unterschied: früher waren unbedeutende Menschen lediglich ein kleiner Teil des öffentlichen Lebens. Mittlerweile gibt es jedoch eine regelrechte Nobody-Industrie und die liefert unerschöpflichen Nachschub, so dass die Nobodys im öffentlichen Leben die Mehrheit bilden.



Montag, 20. April 2020
Das Bonmot zum Morgen
Aber seltener und seltener die Freunde werden, deren Hände zu fassen uns sehnlichst verlangt.
Sophus Claussen (1865-1931)



Freitag, 10. April 2020
Mein ganz persönlicher Karfreitag
Nein, es ist nicht die Corona-Pandemie, die diesen Freitag so eigentümlich macht. Sicher, die Kontaktverbote schaffen eine ganz andere Atmosphäre als üblich und es ist ein bisschen wie in meiner Kindheit, wo der Karfreitag noch ein Trauertag war.

Mein ganz persönlicher Karfreitag besteht darin, dass ich einer schäbigen Intrige zusehen muss, ohne die Möglichkeit des Eingreifens zu haben. Ich kann nichts, absolut nichts tun, ohne der Person, gegen die die Intrige gerichtet ist, zusätzlichen Schaden zuzufügen. Und wie es immer und grundsätzlich der Fall ist bei Intrigen, wird behauptet, es gäbe gar keine Intrige und alles, was die Behandlung der betreffenden Person betrifft, wäre völlig in Ordnung, rechtmäßig und sachlich begründet. Wer diese Darstellung auch nur im Geringsten anzweifelt, der gerät schnell in die Schusslinie. Damit kann ich umgehen, das wäre nicht das erste Mal. Aber die Dynamik einer Intrige geht noch etwas tiefer, denn die Drahtzieher einer Intrige reagieren mit Aufrüstung und dies führt dann fast zwangsläufig dazu, dem Zweifler seine gesunde Wahrnehmung abzusprechen.

In all diesem Dilemma habe ich jedoch das Glück, Menschen an meiner Seite zu haben, die mich darin bestätigen, nicht an meiner Wahrnehmung zu zweifeln. Menschen, denen ich voll und ganz vertrauen kann und die mir enorme Kraft geben. Aber auch das ändert nichts daran, miterleben zu müssen, wie jemand völlig zu Unrecht leidet. Und dies wird für mich noch sehr viel schwerer dadurch, dass es sich um jemanden mit einem enorm großen Herz handelt, der sich immer und überall für andere aufreibt und einsetzt.

Um mal bei dem Sinnbild des Karfreitags zu bleiben – ich stecke zwar nicht in der Rolle des Judas, aber vielleicht doch ein bisschen in der des Petrus. Ich könnte mich jetzt damit beruhigen, dass ich, wie bereits erwähnt, tatsächlich nichts mehr tun kann, ohne das Risiko der Verschlimmerung der Situation zu riskieren. Aber so völlig beruhigen tut mich dies eben nicht.

Es ist ein unerträgliches und quälendes Gefühl, dabei zuzusehen, wie unermüdlich nachgetreten wird, obwohl jemand schon am Boden liegt.

Einer trage des anderen Last“ (Gal 6:2). Das würde ich so gern, aber ich darf es nicht.

Es gibt Menschen, die ähneln einem Corona-Virus und sind mindestens genauso gefährlich. Und leider wird es gegen die niemals einen Impfstoff geben...