Israel (5) – ein wenig wie Klassenreise
Fortsetzung von Israel (4)
Old Jaffa Hostel, 09.10.2015
Das kann in Israel passieren, wenn man nicht vorher bucht – mein Einzelzimmer war nur für 2 Tage frei und zunächst sieht es so aus, als ob noch nicht einmal ein Dormitory frei ist, aber dann bleibt doch noch ein Bett unbelegt. Ich ziehe also in ein Zehnbettzimmer um, das genau über einer Restaurantzeile liegt. Das letzte Mal habe ich im Alter von 19 in einer Jugendherberge übernachtet. Schon die beiden letzten Nächte konnte ich nur mit Ohrstöpseln schlafen, die allerdings auch keine vollständige Stille verschaffen. Heute Nacht kommt dann noch eine Schlafmaske hinzu, weil die helle Außenbeleuchtung das Zimmer fast taghell scheinen lässt. Mit diesen Hilfsmitteln lässt es sich dann aber wider Erwarten doch ganz gut schlafen. Old Jaffa Hostel Übrigens unterscheiden sich sowohl das jetzige Hostel als auch das Fauzi Azar in Nazareth optisch sehr von unseren Jugendherbergen, denn sowohl Gemeinschaftsräume als auch Einzelzimmer sind nicht so nüchtern wie bei uns gestaltet, sondern mit Unmengen von alten Schwarzweiß-Familienfotos dekoriert. Dadurch fühlt man sich ein bisschen wie jemand, der privat bei einer Familie zu Gast ist.

Ich stelle mir unweigerlich die Frage, ob ich nicht doch etwas zu alt für solche Art zu reisen bin. Aber ich bin längst nicht die Älteste hier, da ist zum Beispiel noch die 82jährige Südafrikanerin Ruth, die zuvor sogar auf dem Boden (!) der Dachterrasse geschlafen hat. Ruth hat bis vor kurzem ehrenamtlich in der Armee im Bereich des Recyclings gearbeitet. Sie ist überzeugte Christin und möchte Israel unbedingt unterstützen. Es ergibt sich ein lebhaftes Gespräch zwischen uns beiden, bei dem deutlich wird, dass Ruth trotz ihres proisraelischen Engagements die Behandlung der Palästinenser verurteilt. Wir unterhalten uns auch über ihre Situation in Südafrika und sie sagt mir, dass die Gewalt gegen Weiße so zugenommen hat, dass sie sich dort nicht mehr wohl fühlt und so manche jüngere Menschen jetzt Südafrika verlassen. Sie erzählt auch von der dortigen hohen Vergewaltigungsrate und dass immer wieder sogar Babys vergewaltigt werden, weil noch an Magie geglaubt wird, der zufolge Sex mit einem Baby Aids heilen würde. Es ist ein sehr düsteres Bild, das Ruth zeichnet und auch wenn ich nicht in allem zustimme, wird für mich verständlich, warum sie vor dem Hintergrund ihres südafrikanischen Lebensalltags Israel als weitaus weniger unsicher empfindet.

Auch mit anderen Reisenden ergeben sich kurze Gespräche und eine junge Hamburgerin teilt meinen Eindruck, dass hier viel mehr ältere Reisende unterwegs sind als in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Südostasien. Ich mache mir Gedanken über die möglichen Gründe. Mein Eindruck ist, dass ein Teil der Israelreisenden sehr geschichtsinteressiert ist und ein weiterer Teil das Land wegen der christlichen Stätten bereist. Leute, die einfach nur Fun haben wollen, wie man sie manchmal in Thailand oder Bali trifft, findet man hier hingegen weniger. Dies liegt mit Sicherheit auch daran, dass Israel ein enorm teures Reiseland ist, das das Budget von Studenten schnell übersteigt. Allerdings wird auch hier in Israel jede Menge Unterhaltung geboten, wie zum Beispiel auch hier in Jaffa, dessen Restaurantzeile mich an das Szeneviertel der Hamburger Schanze erinnert. Als äußerst angenehm empfinde ich die Musik, die hier gespielt wird. Weder Techno noch House, stattdessen Blues- und Rockraritäten.

Wider Erwarten habe ich doch ein paar Stunden fest durchgeschlafen und freue mich auf die schöne Dachterrasse auf der ich meine letzten Stunden vor dem Abflug verbringen werde.

Noch ein paar Worte zu Jaffa: genau wie in Jerusalem gibt es eine kleine Altstadt, die aus vielen kleinen Treppen und engen Gassen besteht. Allerdings ist hier erfreulicherweise nicht alles mit Souvenirshops übersäht, sondern es gibt kleine Galerien und echtes Kunsthandwerk. Viel zu teuer zum Kaufen, aber wunderschön anzusehen. Jaffa liegt direkt am Meer und es gibt einen kleinen Hafen und beim Schlendern stoße ich auf die St. Peters Church. In der Kirche, deren Wände aus rötlichem Marmor bestehen und deren Fenster bunt schillernd Heilige darstellen, werden Choräle gespielt und ich bleibe mindestens eine halbe Stunde, um diese meditative Atmosphäre zu genießen.
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