Warum mir wider Erwarten doch eine Folge von Sex and the city gefiel und was dies nun schon wieder mit Berufsbetreuern gemeinsam hat
Obwohl ich ja eigentlich Sex and the city mit einer Art Haßliebe verfolge und die vier Protagonistinnen für komplette Idiotinnen halte, gab es vor kurzem eine Episode, die mir erstaunlich gut gefiel. Es ging um den neuen Lover von Carrie, die Kolumnen schreibende Hauptperson. Ein smarter, gutaussehender und erfolgreicher Lokalpolitiker, der von Carrie scherzhaft Mr. President genannt wurde. Das Hochgefühl der ersten Verliebtheit wurde schon bald ein wenig getrübt, als Mr. President schon nach kurzer Zeit einen etwas bizarren erotischen Wunsch – den ich hier bewußt nicht näher schildern will – äußerte und Carrie hiervon peinlich berührt war.

Irgendwann rang sich Carrie schließlich dazu durch, Mr. President mehr oder weniger direkt zu sagen, daß sie nicht in der Lage sei, dessen geheimen Wunsch zu erfüllen. Dies wurde wiederum von Mr. President als gezielter Affront gegen seine Person aufgefaßt und schien seine Eitelkeit empfindlich verletzt zu haben. Als Vollblutpolitiker ging er allerdings nicht in die Knie sondern in die Offensive und schoß direkt zurück. Süffisant äußerte er, daß er die Beziehung sowieso nicht fortzuführen gedenke, da Carries Kolumnen über das Thema Sex seinem Ruf als Politiker schaden würden. Carrie entgegnete entrüstet, daß jemand, der sehr ungewöhnliche sexuelle Vorlieben hat, doch nicht allen Ernstes Kolumnen über Sex als etwas Unmoralisches empfinden könne.

Und jetzt kam sie – die denkwürdige Antwort von Mr. President, wegen der ich diese ganze Episode hier wiedergebe: „ Ich mag vielleicht ungewöhnliche sexuelle Vorlieben haben, aber die halte ich geheim und niemand weiß davon. Du hingegen schreibst in aller Öffentlichkeit!“. Und somit hat uns diese Folge von Sex and the citiy ganz lebensnah etwas gelehrt. Pflichtlektion eins: Schlage Erfolgsmenschen niemals einen Wunsch ab, noch übe an ihnen Kritik. Pflichtlektion zwei: das Zusammentreffen von authentischen mit nichtauthentischen Menschen muß unweigerlich tragisch enden.

Und dann folgte etwas, das für mich das erste Highlight in dieser dämlichen Serie (von der ich keine verpasse) darstellt. Carrie reagierte, indem sie die ganze Auseinandersetzung öffentlich in ihrer nächsten Kolumne beschrieb. Sie nannte – ganz ladylike – keinen Namen, aber dem ein oder anderen Insider, der sie und Mr. President zuvor zusammen gesehen hatte, würde vielleicht dämmern, um wen es ging. Bezeichnenderweise nannte sie die Kolumne „To pee or not to pee“ (womit einigen klar sein dürfte, was Mr. President denn nun so furchtbar gern machen würde).

Was ich daran so toll fand? Ganz einfach: das Offenlegen einer miesen Doppelmoral, die da lautet: alles ist erlaubt, solange Du dich nach außen hin nicht dazu bekennst. Und – wie sollte es wohl anders sein – fallen mir da wieder einige meiner lieben Kollegen ein, die Mr. President in seiner Heuchelei verdächtig ähneln. Die sich zwar unter Ausschluß der Öffentlichkeit ihren Mitmenschen gegenüber oftmals wie Wildsäue benehmen, aber in allergrößte Empörung ausbrechen, sobald etwas offen ausgesprochen wird, das sich nicht mit ihrem Saubermann-Image vereinbaren läßt.

Also Carrie: Ausnahmsweise mal gutgemacht! Doppelmoral verdient es, an den Pranger gestellt zu werden. Es geht hier nicht um das Thema sexuelle Vorlieben (die soll jeder haben, wie es ihm beliebt), sondern um das Exemplarische, denn das Thema Sex ist auf jede andere Thematik übertragbar. Wer anderen unter die Gürtellinie zielende Vorwürfe macht, darf sich über einen entsprechenden Gegenschlag nicht wundern. Das Prinzip des „Außen hui – innen pfui“ ist ein auf Aufrechterhalten von Scheinmoral basierendes Prinzip, in dem nicht gelebte Werte künstlich vorgetäuscht werden und das in seiner Anmaßung und Selbstgefälligkeit auf Kosten der Mitmenschen geht.




Fernsehen bildet also doch (manchmal...)
Mir fiel dazu das Folgende wieder ein:
"Das Laster, dem man selbst heimlich nahesteht, verurteilt man am eifrigsten." - Sigmund Graff

Viel wahres dran, wie ich finde.

Das trifft wohl leider mehr als zu. Und es bedarf unendlich vieler Therapiestunden, um sich zumindest ein wenig aus dieser Falle zu lösen.

Danke für den Kommentar, Sturmfrau!